Integration und Inklusion
„Über etwas wie Menschenwürde konnte ich nicht nachdenken, weil ich dafür weder Zeit noch Energie hatte, dieses Thema war eines für die anderen!“
Dieser Satz von einem jungen Afghanen, mit dem ich letzten Herbst im Rahmen der „Fairen Woche“ in Germering ein Filmgespräch führen durfte, geht mir bis heute immer wieder im Kopf um.
Ist das nicht unfassbar?
Er – und wahrscheinlich viele andere Menschen auch – sehen Würde als abstraktes Konstrukt und bestenfalls als theoretisches Gedankenspiel für Leute, die Zeit und Kapazität dafür haben. Quasi: Würde als „Luxusgedankenspiel“.
Dabei ist Würde doch unantastbar und alle Menschen haben das Recht mit ihrer Würde gesehen zu werden. Die Jesid*innen in meinem Landkreis Fürstenfeldbruck zum Beispiel. Erst in diesem Jahr hat der Bundestag den Genozid an den Jesid*innen als solchen anerkannt, aber unglaublich viele Menschen haben mehr Vorurteile als Wissen über dieses Volk, weshalb ich gemeinsam mit ihnen in unserem Landkreis Aufklärungsarbeit leiste.
Nur eine inklusive Gesellschaft, also eine Gesellschaft, die trotz aller Unterschiede zusammenhält, ist eine starke Gesellschaft!
Strukturelle Benachteiligung gibt es einerseits noch immer und andererseits immer wieder neu auf den unterschiedlichsten Ebenen! Viele Geflüchtete durchlaufen hierzulande Phasen, die man – wenn nicht selbst miterlebt – kaum glauben würde. Während meinen beruflichen Jahren in der stationären Jugendhilfe betreute ich zahlreiche junge Geflüchtete aus den unterschiedlichsten Ländern. Häufig werde ich gefragt, was dabei das schwierigste war. Die Antwort ist einfach und zugleich traurig: Das schwierigste war es, gemeinsam die Steine zu überwinden, die von Seiten der Behörden auf so manchen Lebensweg gelegt wurden, bis endlich Ausbildungs- und Arbeitsgestattungen erteilt wurden.
Echte Integration passiert jedoch nicht daneben, wenn man zuschauen darf! Echte Integration geschieht im Tun, im „Mittendrin-Sein“! Echte Integration passiert immer dann, wenn Menschen die Chance bekommen, sich als Teil des Ganzen wahrnehmen zu dürfen.
Die Sichtbarkeit von Minderheiten oder die Partizipation strukturell benachteiligter Gruppen – eines meiner Herzensthemen ist die Inklusion und damit meine ich eine breite, die breitmöglichste Bedeutung von Inklusion!
Was meint das? Klar, wir kennen das Bundesteilhabegesetz und kaum jemand würde bestreiten, dass dessen Umsetzung nicht schnell genug vorangehen kann. Aber viele Bemühungen im Bereich der Inklusion bleiben unsichtbar. Betriebe, die sich beispielsweise für Menschen mit Behinderung einsetzen, erleben sich in ihrem Einsatz immer wieder alleingelassen. Um das Engagement wertzuschätzen und good-practice-Beispiele bekannt zu machen, habe ich mich im Germeringer Stadtrat, in Zusammenarbeit mit dem von mir sehr geschätzten Sozialreferenten, mit Erfolg für einen Antrag für die Errichtung eines städtischen Integrations- und Inklusionspreises eingesetzt!
Auch die Einbindung von suchtkranken Menschen in den Inklusionsauftrag ist dringend erforderlich! Auch hier sind trotz einzelner Fortschritte noch Schritte zu gehen, besonders auch im Hinblick auf eine Gesellschaft, in der Suchterkrankungen noch immer einen „verruchten“ und „peinlichen“ Beigeschmack haben.
Seelische Gesundheit
Der große Komplex von psychischen Erkrankungen ist ein Kernthema des Bezirkstags. Hier ist viel passiert, allerdings nicht nur zum Vorteil von Betroffenen und deren Angehörigen. Politik muss in meinen Augen dorthin arbeiten, dass psychische Erkrankungen entstigmatisiert werden! Die Wartezeiten, wenn es darum geht, einen Therapieplatz zu bekommen sind mitunter viel zu lang. Auf dem Land noch mehr als in der Stadt. Ich möchte mich dafür stark machen, dass Angebote sowohl im Bereich der Intervention als auch im Bereich der Prävention ausgebaut werden.
Besonders freut es mich, Teil der Arbeitsgruppe zu sein, die den Teil „Seelische Gesundheit“ des Bezirkstagswahlprogramms bearbeitet.
Immer wieder hört man: Es ist ganz normal sich Hilfe zu suchen, schließlich geht man auch zum Zahnarzt, wenn man Zahnschmerzen hat. Von Betroffenen weiß ich: Es ist aber noch lange nicht so! Stigmatisierung und tatsächliche Nachteile folgen noch heute aus einem offenen Umgang mit einer psychischen Erkrankung.
Was ist eigentlich mit den Kindern von all diesen „gebeutelten“ Menschen? Nicht selten sind sie es, die unendlich leiden und die ganz oft erst viel zu spät in den Fokus gelangen! Für sie müssen Hilfskonzepte entwickelt und vorhandene noch weiter verbessert werden! Auf diesem Gebiet ist zwar schon vieles erarbeitet worden, und trotzdem weiß ich auch aus meiner beruflichen Erfahrung: Da ist definitiv noch Luft nach oben und nicht wenig, sondern ordentlich!